Gehirnschäden durch Sauerstoffmangel – Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE)
6. Juni 2014
Unter hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie versteht man massive Zellschäden im Gehirn des Neugeborenen, ausgelöst durch Sauerstoffmangel. Sie verursacht neben einem sofortigen Absterben von Gehirnzellen nach einiger Zeit auch einen sekundären Zelltod in Form der Zellapoptose (programmierter Zelltod). Durch den Sauerstoffmangel werden zudem Störungen der Blut-Hirn-Schranke und eine Energieunterversorgung des Gehirns verursacht.
HIE ist die häufigste Ursache für neurologische Erkrankungen bei Kindern, führt oft zu bleibenden Behinderungen und trägt signifikant zur Sterblichkeitsrate bei Neugeborenen bei. Ein erhöhtes Risiko besteht für Kinder, bei denen schon während der Schwangerschaft große Schwierigkeiten auftraten. HIE kann außerdem durch Komplikationen bei der Geburt, wie vorzeitige Plazentaablösung, Uterusruptur oder Nabelschnurumschlingung, verursacht werden.
Bisher wird gezielte Unterkühlung (Hypothermietherapie) als Behandlungsmethode eingesetzt. Durch das kontrollierte Absenken der Körpertemperatur (und der somit verringerten Stoffwechselaktivität) soll das geschädigte Gehirnareal so klein wie möglich gehalten und das Absterben von Hirngewebe verhindert werden. Obwohl Hypothermie bei leichteren Fällen von HIE signifikante Verbesserungen zeigt, erleiden trotzdem 40-50 % der behandelten Säuglinge mit HIE schwerwiegende neurologische Beeinträchtigungen. (1)
Um überhaupt effektiv zu sein, muss die Hypothermie innerhalb von sechs Stunden nach der Geburt beginnen, während die Behandlung mit Nabelschnurblut-Stammzellen bis zu 48 Stunden nach der Geburt positive Effekte zeigte. (2) Nabelschnurblut und die darin enthaltenen Stammzellen haben das Potential, Gehirnschäden zu verhindern oder zu reparieren, da sie in verschiedene Zelltypen differenzieren können. Da sie jünger und unreifer als Stammzellen aus dem Knochenmark sind, haben sie ein noch größeres Teilungspotential.
Die bisher durchgeführten klinischen Studien der Phasen I und II zur Behandlung von HIE mit autologen (körpereigenen) Nabelschnurblutzellen zeigten neben dem Nachweis der Sicherheit und Durchführbarkeit solcher Therapien vielversprechende Ergebnisse. (1), (6) Die Studien, die die Effekte von Nabelschnurblut-Stammzellen auf hypoxisch-ischämische Schädigungen untersuchten, zeigten durchwegs positive Resultate, wie Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten und erhöhte Geweberegeneration. (3)
Man glaubt, dass die regenerativen Effekte von transplantierten Stammzellen auf das geschädigte Gehirn hauptsächlich auf die Freisetzung von Neurotrophinen zurückzuführen sind. Neurotrophine sind sogenannte Überlebensfaktoren der Nervenzellen; fehlen sie, werden neuronale Verbindungen abgebaut. Neurotrophine stimulieren Reparaturprozesse, die wiederum die Zerstörung von Gewebe verhindern, zerstörte Zellen ersetzen und beschädigtes Gehirngewebe reparieren können.
Eine weitere Hypothese über die Wirkungsmechanismen von Stammzellen aus Nabelschnurblut hat mit speziellen Proteinen zu tun. Chemokine sind kleine Signalproteine, die bei Zellen eine Wanderungsbewegung auslösen. So gelangen die Zellen gezielt an das geschädigte Gewebe des Zentralnervensystems. Hier könnte eine zukünftige Therapiemethode ansetzen: Man kann spezifische Chemokine verwenden, um die Anzahl der Stammzellen im betroffenen Gehirnareal zu erhöhen. (4)
Zurzeit laufen einige klinische Studien, die autologes, also körpereigenes, Nabelschnurblut zur Behandlung hypoxisch-ischämischer Gehirnschädigungen bei Neugeborenen verwenden, unter anderem Studien der Duke University (USA) und des Hospital Universitario (Monterrey, Mexico). (1) Um Dosis, Zeitpunkt und Art der Nabelschnurblut-Transplantation genauer zu ermitteln und um Faktoren, die die Wirksamkeit einer Therapie mit NSB-Stammzellen beeinflussen, aufzuklären, sind weitere klinische Studien nötig. (5) Randomisierte Doppelblindstudien mit größeren Teilnehmerzahlen sollen signifikante Ergebnisse bringen, um neue Behandlungsmethoden zu entwickeln und die Überlebenschancen für Säuglinge mit hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie mithilfe körpereigener NSB-Stammzellen zu erhöhen. (6)
Quellen:
(1) Stem cell therapy to protect and repair the developing brain: a review of mechanisms of action of cord blood and amnion epithelial derived cells
Margie Castillo-Melendez, Tamara Yawno, Graham Jenkin and SuzanneL.Miller
Frontiers in Neuroscience; October 2013, Volume 7, Article 194
(2) Harris and Rogers, 2007,
Umbilical cord blood: a unique source of pluripotent stem cells for regenerative medicine.
Curr .Stem Cell Res.Ther. 2, 301–309. doi: 10.2174/157488807782793790;
Herranz, A. S., Gonzalo-Gobernado, R., Reimers, D., Asensio, M. J., Rodriguez-Serrano, M., and Bazan, E. (2010).
Applications of human umbilical cord blood cells in central nervous system regeneration.
Curr. Stem Cell Res. Ther. 5, 17–22.doi: 10.2174/157488810790442822
(3) de Paula, S., Greggio, S., Marinowic, D. R., Machado, D. C., and DaCosta, J.C.(2012).
The dose-response effect of acute intravenous transplantation of human umbilical cord blood cells on brain damage and spatial memory deficits in neonatal hypoxia-ischemia.
Neuroscience 210, 431–441.doi:10.1016/j.neuro science.2012.03.009
(4) Pluripotent Possibilities: Human Umbilical Cord Blood Cell Treatment After Neonatal Brain Injury
Tatyana Verina MS, Ali Fatemi MD, Michael V. Johnston MD, Anne M. Comi MD,
Pediatric Neurology 48 (2013) 346e354
(5) Acta Med Okayama. 2012;66(6):429-34
Review: The therapeutic potential of human umbilical cord blood transplantation for neonatal hypoxic-ischemic brain injury and ischemic stroke.
Wang F, Maeda N, Yasuhara T, Kameda M, Tsuru E, Yamashita T, Shen Y, Tsuda M, Date I, Sagara Y.
(6) J Pediatr. 2014 May;164(5):973-979.e1. doi: 10.1016/j.jpeds.2013.11.036. Epub 2013 Dec 31.
Feasibility of autologous cord blood cells for infants with hypoxic-ischemic encephalopathy.
Cotten CM, Murtha AP, Goldberg RN, Grotegut CA, Smith PB, Goldstein RF, Fisher KA, Gustafson KE, Waters-Pick B, Swamy GK, Rattray B, Tan S, Kurtzberg J.
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